Signing bonus für ausländische Arbeitnehmer – und das deutsche Besteuerungsrecht

Deutschland steht das Besteuerungsrecht hinsichtlich der Zahlung eines sog. signing bonus -eine bei Abschluss des Arbeitsvertrags fällige Einmalzahlung, die dem im Ausland ansässigen Arbeitnehmer für eine künftig in Deutschland auszuübende Tätigkeit vorab gewährt wurde- nach Art. 15 Abs. 1 Satz 2 DBA-Schweiz 1971/2010 zu.

Der Arbeitgeber hat einen Anspruch darauf, dass das Betriebsstättenfinanzamt auf seinen Antrag hin eine entsprechende Bescheinigung erteilt, wenn nach einem Doppelbesteuerungsabkommen der von einem Arbeitgeber gezahlte Arbeitslohn von der Lohnsteuer freizustellen ist1. Die Einmalzahlung ist Arbeitslohn i.S. dieser Regelung.

Nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 LStDV gehören zum Arbeitslohn auch Einnahmen im Hinblick auf ein künftiges Dienstverhältnis. Es entspricht daher allgemeiner Meinung, dass z.B. vor Arbeitsvertragsschluss geleistete Handgelder und Antrittsprämien zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit rechnen2, und zwar auch dann, wenn der Arbeitnehmer -wie im Streitfall- zum Zeitpunkt der Zahlung „lediglich“ der beschränkten Steuerpflicht gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a EStG -und dem damit verbundenen Lohnsteuerabzug3- unterliegt4.

Soweit der Arbeitgeber hiergegen einwendet, der sog. signing bonus habe nichts mit der Vergütung der später von – X erbrachten Leistung zu tun gehabt, er sei allein für die Bereitschaft zum Wechsel des Beschäftigungsverhältnisses gezahlt worden und stelle daher kein Entgelt für künftige Tätigkeiten dar, steht dem bereits der klare und einschlägige Wortlaut des § 2 Abs. 2 Nr. 1 LStDV entgegen. Zudem war im vorliegenden Fall festgestellt, dass der Arbeitnehmer – X mit der Zahlung dazu bewegt werden sollte, das Arbeitsverhältnis über mindestens fünf Jahre aufrechtzuerhalten und in diesem Zeitraum für den Arbeitgeber zu arbeiten. Da es genügt, dass sich die Leistung des Arbeitgebers im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers darstellt5, besteht kein Zweifel am Arbeitslohncharakter der Einmalzahlung.

Das Finanzgericht München ist in der Vorinstanz ferner davon ausgegangen, dass zum Zahlungszeitpunkt der Schweiz als dem Ansässigkeitsstaat das Besteuerungsrecht gemäß Art. 15 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971/2010 zugestanden habe6. Dies folge aus der Rechtsprechung zur Behandlung von Abfindungszahlungen, wonach aufgrund des Abkommenswortlauts („dafür bezogene Vergütung“) das Besteuerungsrecht des Tätigkeitsstaats (Art. 15 Abs. 1 Satz 2 DBA-Schweiz 1971/2010) voraussetze, dass die Vergütung für eine konkrete im Tätigkeitsstaat ausgeübte Tätigkeit geleistet werde, ein bloßer Anlasszusammenhang zwischen Zahlung und Tätigkeit indes nicht genüge. Im Streitfall sei die Einmalzahlung nicht für eine solche konkrete Tätigkeit gezahlt worden. Diese Beurteilung ist für den Bundesfinanzhof jedoch nicht frei von Rechtsfehlern:

Für das Besteuerungsrecht Deutschlands kommt es nach Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2, Satz 2 DBA-Schweiz 1971/2010 darauf an, dass die Arbeit im anderen als dem Ansässigkeitsstaat ausgeübt wird. Wird die Arbeit dort ausgeübt, so können die dafür bezogenen Vergütungen im anderen Staat besteuert werden.

Bei der zu diesen Regelungen ergangenen; und vom Finanzgericht herangezogenen Bundesfinanzhofsrechtsprechung zur Verteilung des Besteuerungsrechts an Abfindungszahlungen hat der Bundesfinanzhof das Tatbestandsmerkmal „dafür bezogen“ in Art. 15 Abs. 1 Satz 2 DBA-Schweiz 1971/2010 im Wesentlichen deswegen verneint, weil Abfindungen nicht für das Tätigwerden des Arbeitnehmers, sondern als Entschädigung für den Arbeitsplatzverlust, also für das Nicht-Mehr-Tätigwerden als Arbeitnehmer gezahlt werden7. Auf die vom Arbeitgeber durchweg als signing bonus bezeichnete Vergütung, die gerade die Arbeitsaufnahme bewirken sollte, ist die Rechtsprechung daher nicht übertragbar.

Im Streitfall hat – X die Einmalzahlung für („dafür“) eine in Deutschland ausgeübte Tätigkeit bezogen, sodass Deutschland das Besteuerungsrecht zusteht.

Das zeitliche Auseinanderfallen von Zahlung und Ausübung der Tätigkeit als Direktor eines Forschungsinstituts des Arbeitgebers ist hierbei unschädlich. Dem Abkommenswortlaut ist nicht zu entnehmen, dass Vergütungen, die im Hinblick auf ein zukünftiges Arbeitsverhältnis oder eine künftige Arbeitsausübung gezahlt werden; vom Anwendungsbereich des Art. 15 Abs. 1 Satz 2 DBA-Schweiz 1971/2010 im Besonderen oder von Art. 15 DBA-Schweiz 1971/2010 im Allgemeinen ausgenommen sein sollen. Eine vorab gewährte Vergütung kann nicht anders behandelt werden als nachträglich ausgezahlter Arbeitslohn, der dem Besteuerungsrecht des früheren Tätigkeitsstaats unterliegt8. Die Verteilung der Besteuerungsrechte ist demnach unabhängig vom Zeitpunkt der Zahlung der Vergütung vorzunehmen9.

Die Einmalzahlung an – X gehörte i.S. von Art. 15 Abs. 1 Satz 2 DBA-Schweiz 1971/2010 zu den „dafür“ (d.h. „für“ die Arbeit) bezogenen Vergütungen10. Sie wurde nicht lediglich aus Anlass der Begründung eines Arbeitsverhältnisses, sondern für die konkrete Tätigkeit von – X als Direktor eines Forschungsinstituts gewährt. Ein solcher Bezug zwischen der Vergütung und einer konkreten Tätigkeit setzt kein nach Arbeitsstunden oder Arbeitsmonaten bemessenes Gehalt voraus. Für eine derartige Einschränkung findet sich im Abkommenswortlaut kein Anhalt. Im Streitfall wurde die Einmalzahlung auch nicht lediglich für das Unterschreiben des Arbeitsvertrags gewährt, sondern, wie die vom Finanzgericht festgestellte (§ 118 Abs. 2 FGO) Rückzahlungsregelung im Falle des Ausscheidens binnen einer Fünfjahresfrist zeigt, für die mindestens fünfjährige Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses. Eine mindestens fünfjährige Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses bedeutet nichts anderes als ein fünfjähriges Tätigsein (Arbeitsausübung) als Direktor eines bestimmten Forschungsinstituts mit bestimmter Aufgabenbeschreibung. Wenn die Einmalzahlung aber (auch) dafür gewährt wurde, dann ging es den Beteiligten um ein zusätzliches, vorausgezahltes Arbeitsentgelt für eine konkrete Arbeitnehmertätigkeit in Deutschland und nicht, wie das Finanzgericht meint, lediglich um eine Motivationszahlung, um – X die positive Entscheidung für die Annahme des Arbeitsangebots zu erleichtern.

Die in Art. 15a DBA-Schweiz 1971 i.d.F. des Protokolls vom 21.12 199211 und des Protokolls vom 27.10.201012 -DBA-Schweiz 1971/1992/2010- enthaltene Grenzgängerregelung führt zu keinem abweichenden Ergebnis. Selbst wenn – X in der Zeit seiner nebenamtlichen Tätigkeit von seinem (nebenberuflichen) Arbeitsort in Deutschland regelmäßig an seinen schweizerischen Wohnsitz i.S. des Art. 15a Abs. 2 DBA-Schweiz 1971/1992/2010 zurückgekehrt sein sollte, müsste die streitige Einmalzahlung veranlassungsbezogen entweder der nebenamtlich ausgeübten Grenzgängertätigkeit oder der ab 1.10.2012 ausgeübten hauptamtlichen Tätigkeit eines inländischen Institutsdirektors zugeordnet werden. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts kommt nur Letzteres in Betracht.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 11. April 2018 – I R 5/16

  1. zum zeitlichen Anwendungsbereich der Regelung vgl. §§ 39b Abs. 6, 52 Abs. 51b EStG a.F.; BMF, Schreiben vom 19.12 2012, BStBl I 2012, 1258; Schmidt/Krüger, EStG, 37. Aufl., § 39b Rz 25[]
  2. z.B. Pflüger in Herrmann/Heuer/Raupach, § 19 EStG Rz 165; BGH, Urteil vom 07.11.2006 – 5 StR 164/06, HFR 2007, 597, zu Antrittsprämien im Profifußball; inzident BFH, Urteil vom 16.12 1992 – XI R 33/91, BFHE 170, 369, BStBl II 1993, 447[]
  3. BFH, Urteil vom 21.10.2009 – I R 70/08, BFHE 226, 529, BStBl II 2012, 493[]
  4. vgl. Haiß in Herrmann/Heuer/Raupach, § 49 EStG Rz 746 „Versetzungsprämien“[]
  5. BFH, Urteil in BFHE 226, 529, BStBl II 2012, 493[]
  6. FG München, Urteil vom 13.03.2015 – 8 K 3098/13[]
  7. BFH, Urteile vom 02.09.2009 – I R 111/08, BFHE 226, 276, BStBl II 2010, 387; vom 10.06.2015 – I R 79/13, BFHE 250, 110, BStBl II 2016, 326, jeweils m.w.N.[]
  8. BFH, Urteil vom 12.01.2011 – I R 49/10, BFHE 232, 436, BStBl II 2011, 446[]
  9. Brandis in Wassermeyer, Schweiz Art. 15 Rz 349[]
  10. vgl. dazu BFH, Urteile in BFHE 226, 276, BStBl II 2010, 387, und in BFHE 250, 110, BStBl II 2016, 326[]
  11. BGBl II 1993, 1888, BStBl I 1993, 928[]
  12. a.a.O.[]